Ich hatte Kacke am Hosenbein und blaue Flecken, wie ein kleines Mädchen, das gerade von seinem Vater verprügelt wurde. Ich wußte ich hatte es verdient.
In der Enge der Zug-Toilette versuchte ich hektisch die Scheiße zu entfernen. Keine einfache Angelegenheit; jedes Mal wenn der Geruch der Scheiße in meine Nase drang, hätte ich am Liebsten gekotzt, doch es war nichts in meinem Magen, was hätte rauskommen können. In solchen Situationen sehne ich mich wieder zurück auf die Couch mit Cornflakes und Zeichentricks, auch wenn man so natürlich mehr und Spannenderes erlebt.
Die Kacke war nun mehr oder weniger geschickt auf meinem Hosenbein verrieben, als auch schon aus den Lautsprechern die Ankündigung meines Bahnhofs kam.
Ich verließ den Zug, wollte mich schon Richtung Bahnhofskiosk aufmachen, da störte eine zwielichtige Person meine Kreise. Er sei Franz Quecksilber, dämlicher Name dachte ich, und Hypnotiseur und Gedankenleser. Ob ich Interesse an einer kleinen Vorführung seiner Künste hätte. Ich antwortete, daß wenn er wirklich Gedanken lesen könne, er mit mir keinen Spaß haben werde. „Umso besser.“, drang es aus seinem Mund, der an beiden Enden diese köstlichen weißen Speichelreste aufwies. Angeekelt wich ich etwas zurück.
„Sie haben Kot am Bein.“, daß er aufmerksam war hatte er also bewiesen. „Na gut, hören sie, sofern mich das nichts kostet schau ich mir’s mal an.“. „Nein, niemals werter Freund. Vielmehr werden sie Teil der Aufführung sein. Mein Assistent könnte man sagen.“. Assistent war schon immer ein Beruf, den ich mir sehr gut vorstellen konnte für mich. Das klang so bedeutungsvoll und gleichzeitig nichtssagend. Ich dachte daran wie stolz meine Großmutter wäre, wenn ich ihr von der Anstellung als Assistent berichten würde.
Und schon folgte ich dem schmierigen, Speichelreste-im-Mundwinkel-tragenden Hypnotiseur und Gedankenleser.
Er hatte vor dem Kiosk geparkt. Ein dunkler Opel Ascona. Sollte ihm wohl Seriösität verleihen. Hätte ohne den ganzen Müll im Inneren des Wagens besser funktioniert. Wir stiegen ein.
Er trat das Gaspedal durch, wir fuhren mit einem Höllentempo durch die Ortschaft. Er zündete sich eine Imperial an. Mit einem dreckigen Grinsen in der Fratze drehte er sich zu mir.
„Ich wußte, daß sie mitkommen würden. Um genau zu sein wußte ich sogar, wann sie am Bahnhof sein würden.“
„Wann ich am Bahnhof sein würde, wußte ich auch, sogar eine Stunde vorher.“
„Sie glauben mir nicht, daß ich Gedanken lesen kann.“
„Falls sie es tatsächlich können, haben sie es bisher jeden falls falsch eingesetzt, dem Zustand ihres Wagens nach.“
„Hahahaha, typisch Amateure.“, bei diesem Ausruf fiel ihm ordentlich Asche auf den Schoß. Mit seiner linken Hand wischte er darüber. Er hatte an jedem Finger einen Ring, jeder war mit einem bunten Stein besetzt.
„Hören sie, mein Lieber, das Gedankenlesen ist eine hohe Kunst, die absolute Konzentration erfordert. Ich muss
die Frequenz ihres dritten Auges finden, erst dann kann ich mit Bestimmtheit sagen was sie denken. Diese Zeit aber habe ich nicht, wir werden in 10 Minuten am Vorstellungsort sein und die Leute wollen Ergebnisse sofort. Niemand setzt sich 2 Stunden hin und wartet bis ich die Frequenz gefunden habe, deshalb sollen sie mir helfen. Im Handschuhfach liegt ein Zettel, darauf steht was sie zu denken haben.“
„Ja moment mal,“,ich bin immer zum Betrug bereit, aber nur wenn sich daraus für mich ein Vorteil ergeben sollte,“was bringt mir das denn wenn ich ihnen helfe, großer Quecksilber?“
„Keine Sorge, wie wärs denn mit 50 Euro?“
„Ja ist in Ordnung. Geben sie mir mal eine von ihren Kippen.“
Bis ich die Kippe aufgeraucht hatte waren wir auch schon am Veranstaltungsort.
Eine schäbige Kneipe, wie ich sie selbst gern frequentiere. Die Gäste waren wohl schon den ganzen Tag hier und ganz bestimmt nicht wegen Franz Quecksilber, Hypnotiseur und Gedankenleser, gekommen. Der Maestro ging zum Wirt, besprach mit ihm irgendwas. Ich stand ahnungslos zwischen den Tischen mit den Trinkern. Bevor ich daran denken konnte mir selbst etwas zu bestellen, hatte mich auch schon wieder der Hypnotiseur am Arm gepackt und in Richtung Hinterhof der Kneipe gezerrt.
„Hören sie zu, Herr – wie heißen sie überhaupt?“
„Nennen sie mich einfach wie sie wollen.“ antwortete ich.
„Na gut, ich werde sie Xaver nennen. Unverständliches Kauderwelsch zu sprechen dürfte ihnen nicht schwer fallen. Das ist ein Scheißpublikum hier, da wird kein Geld zu machen sein.“
„Lassen sie mich raten, mit den 50 Euros, das wird nichts?!“
„Genau! Sie sind auch telepathisch begabt, so wie ich!“
„Nein, nur ein genauso großer Betrüger wie sie.“, war meine Antwort.
„Denken sie doch nicht so schlecht über sich und ihre Mitmenschen.
Ich habe eine Idee wie wir trotzdem noch zu etwas Barem kommen könnten: wir könnten ein kleines Würfelspielchen machen. Sie, ich und der Wirt! Wie wärs?“ Ich blickte skeptisch.
„Los kommen sie, das wird ein Spaß und lohnen wird es sich noch dazu!“
Nun ich war gar nicht so schlecht, am Anfang jedenfalls, doch ich wurde bald etwas übermütig. Und die vielen Biere, die mir der Wirt „kostenfrei“ zur Verfügung stellte, da ich ja sowieso gerade 13,50 im Plus lag, vernebelten mir so die Sinne, daß ich völlig vergass, wie der Plan war den Wirt über den Tisch zu ziehen.
Als ich um 5 Uhr morgens, mit dem Kopf auf dem Tresen, aufwachte, der Wirt die 50 Euro für die, von mir und dem Hypnotiseur, konsumierten Getränke haben wollte und ich in meiner Brieftasche nur einen Zettel, auf dem stand,
„Ich hoffe ihnen hat meine Vorstellung gefallen.
Ihr Franz Quecksilber“
fand, dämmerte mir, daß ich der Einzige ohne Plan war.
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One Comment
“Wann ich am Bahnhof sein würde, wußte ich auch, sogar eine Stunde vorher.”
hehe kleinen binnen-witz eingebaut. sehr schön. endlich mal wieder was längeres
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